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Autorenbild: Carmen AndereggCarmen Anderegg

Jedem, der ab und zu über den Wolken unterwegs ist, ist es schon passiert: Beim Blick auf die Anzeigetafel am Flughafen - oder wenn man Glück im Unglück hat immerhin per vorgängiger Benachrichtigung – stehen sie da, die Wörter, die man auf keinen Fall dort sehen will: DELAYED oder noch schlimmer CANCELLED. Oder man steht nach der Ankunft bei der Gepäckausgabe und möchte nach der langen Flugreise möglichst rasch ins Hotel oder nach Hause und dann kommt das Gepäck nicht oder kaputt an. Mit dem nachfolgenden Bericht möchten wir aufzeigen, worauf man achten soll und wie man zu seinem Recht kommt.


Verspätung

Kleinere Verspätungen gehören bei Flugreisen zum daily business und sind so hinzunehmen. Daran haben wir und die Kinder uns auch schon sehr gut gewöhnt und da wir meistens ohnehin auf den letzten Drücker unterwegs sind, macht uns das in der Regel auch nichts aus.

Bei unserer Reise im Frühling 2018 nach Florida kam es dann jedoch zu einer Verspätung, welche weit über das Übliche hinausging. Wir hatten einen Nachtflug von Orlando nach Zürich gebucht. Da die Maschine offenbar bereits am Morgen auf dem Weg von Zürich nach Orlando mit massiver Verspätung losflog, wurden wir relativ früh mittels einer SMS über die Verspätung informiert. Wir entschieden uns daher, erst zwei Stunden später als geplant von Naples loszufahren. Am Flughafen angekommen erhielten wir sodann Verpflegungsgutscheine, um uns am Flughafen mit Essen und Getränken zu versorgen.

Die Rechte der Flugpassiere in der Schweiz richten sich grundsätzlich nach der EG-Verordnung 261/2004 über die europäischen Fluggastrechte (https://eur-lex.europa.eu/resource.html?uri=cellar:439cd3a7-fd3c-4da7-8bf4-b0f60600c1d6.0002.02/DOC_1&format=PDF).

Eine relevante Abflug-Verspätung im Sinne von Art. 6 dieser Verordnung definiert sich vereinfacht wie folgt:

a) Distanz bis 1500 km: ab 2 Stunden

b) Distanz von 1500 km bis 3500 km: ab 3 Stunden

c) Distanz von über 3500 km: ab 4 Stunden

Im Fall einer Verspätung gemäss Art. 6 der EG-Verordnung 261/2004 muss die Fluggesellschaft eine im Verhältnis zur Wartezeit angemessene Verpflegung anbieten, was häufig mittels Gutscheinen für Verpflegungsmöglichkeiten im Flughafen gemacht wird. Verzögert sich der Weiterflug bis zum Folgetag (Datumswechsel), muss wenn nötig eine Hotelunterkunft (inklusive Transport) offeriert werden. Die Möglichkeit zur unentgeltlichen Telekommunikation (zwei Anrufe, E-Mails oder Fax) muss ebenfalls angeboten werden.

Bei einer Verspätung über fünf Stunden muss dem Passagier sodann die Möglichkeit geboten werden, auf den Flug zu verzichten und stattdessen den Ticketpreis zurückerstattet zu erhalten.

Einen Anspruch auf eine sog. Ausgleichszahlung (Schadenersatz) sieht der Verordnungstext für Verspätungen nicht vor. Indes hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Entscheiden festgehalten, dass ab einer Ankunftsverspätung (nicht gleichzusetzen mit Abflugverspätung) von mindestens 3 Stunden unter Umständen ein Anspruch auf eine Ausgleichszahlung bestehen könne. Insbesondere kein Anspruch besteht, wenn die Verspätung auf aussergewöhnliche Umstände zurückzuführen ist. Gemäss Presseberichten ist es aber so, dass die Schweizer Airlines Swiss und Edelweiss wohl die EG-Verordnung befolgen, die EG-Rechtsprechung aber in der Schweiz für nicht anwendbar halten (vgl. https://www.srf.ch/news/schweiz/kampf-fuer-fluggastrechte-entschaedigung-fuer-verspaetete-fluege-jurist-will-leiturteil).


Annullierung

Wenn auch deutlich seltener als Verspätungen, kommen auch Annullierungen von Flügen immer wieder vor. Auch wir erlebten schon, dass ein Europaflug annuliert worden war, weil die Maschine am Vorabend wegen Gewitter nicht hatte nach Zürich fliegen können. Da uns keine passsende Alternative geboten werden konnte, mit welcher wir den Anschlussflug noch erreichen konnten, wurde eine ganze Reise auf den Kopf gestellt.

Wird ein Flug ersatzlos gestrichen, spricht man von einer Annulierung. Im Falle einer Annullierung haben die Flugpassagiere gemäss Art. 5 der EG-Verordnung 261/2004 folgende Ansprüche:

a) Wahl zwischen Rückerstattung des Ticketpreises (unter Umständen auch für bereits zurückgelegte Strecken, wenn der Flug im Hinblick auf den bisherigen Reiseplan zwecklos geworden ist, allenfalls in Verbindung mit einem Rückflug zum ersten Abflugort zum frühstmöglichen Zeitpunkt ODER anderweitiger Beförderung zum Zielort (zum frühstmöglichen Zeitpunkt oder nach Wunsch des Fluggastes zu einem späteren Zeitpunkt).

b) Mahlzeiten und Getränke im Verhältnis zur Wartezeit. Bei einer Verzögerung des Weiterfluges bis zum Folgetag (Datumswechsel) muss wenn nötig eine Hotelunterkunft inklusive Transport angeboten werden. Die Möglichkeit zur unentgeltlichen Telekommunikation (zwei Anrufe, E-Mails oder Fax) muss ebenfalls angeboten werden.

c) Unter Umständen besteht ein Anspruch auf Ausgleichszahlungen, sofern der Fluggast nicht mindestens 14 Tag vorher über die Annulierung informiert wurde. Die Ausgleichszahlung beträgt

- 250 Euro bis zu einer Distanz von 1'500 km

- 400 Euro bis zu einer Distanz von 1'500 km und 3'500 km

- 600 Euro ab einer Distanz von 3'500 km

(Die Entschädigung kann halbiert werden, wenn sich die Reise, je nach Entfernung, nicht länger als 2, 3 oder 4 Stunden verzögert.)

Die Entschädigungspflicht entfällt, wenn die Airline aussergewöhnliche Umstände für die Annullierung darlegen kann. Aussergewöhnliche Umstände sind z.B. Generalstreik, Radarausfall, Turbinenausfall durch Vogelschlag, Luftraumschliessung wegen Vulkanausbruch. Keine aussergewöhnlichen Umstände sind z.B. die Erkrankung eines Crew-Mitglieds, extremer Gegenwind, technischer Defekt oder der Mangel an Enteisungsmitteln.


Nichtbeförderung

Eine Nichtbeförderung (Denied Borarding) haben wir persönlich noch nie erlebt. Die Rechte dabei sind ähnlich wie bei der Annullierung. Näheres dazu findet man in Art. 4 der EG-Verordnung 261/2004 oder auf der Website des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (https://www.bazl.admin.ch/bazl/de/home/passagiere/fluggastrechte.html).


Zerstörung, Verlust oder Beschädigung des Reisegepäcks

Als wir mit dem verspäteten Flug aus Florida in Zürich eintrafen, wartete bereits die nächste unliebsame Überraschung auf uns: Unser Reisebuggy war defekt, es waren mehrere Teile abgebrochen. Auch für Fälle wie diesen besteht grundsätzlich eine Ersatzpflicht der Airline.

Die rechtliche Grundlage für Ansprüche betreffend Zerstörung, Verlust oder Beschädigung von Gepäck findet man in Art. 8 der schweizerischen Verordnung über den Lufttransport (LTrV, https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20051245/index.html).

Demnach haftet die Airline für die Zerstörung, Verlust oder Beschädigung von aufgegebenem Gepäck, das sich in ihrer Obhut befindet, ausser der Schaden rührt von einer speziellen Eigenart oder eines vorbestehenden Mangels des Gepäckstücks her. Ein Verlust wird angenommen, wenn die Airline diesen anerkannt oder spätestens 21 Tage, nach dem es am Bestimmungsort hätte eintreffen müssen.

Bei in der Kabine mitgeführtem Gepäck besteht die Haftung, sofern die Airline bzw. ihre Angestellten und Beauftragten den Schaden verursacht haben.

Die Höhe des Ersatzes beträgt in der Regel maximal 1131 sog. Sonderziehungsrechte, sofern kein höherer Wert deklariert und von der Airline akzeptiert worden war oder die Airline bzw. Personen für welche sie verantwortlich ist, den Schaden absichtlich verursacht oder doch in Kauf genommen haben. Die Sonderziehungsrechte (SZR) sind eine vom Internationalen Währungsfonds (IWF) als internationale Rechnungs- und Zahlungseinheit geschaffene Einheit. Der Wert eines SZR wird täglich auf der Basis eines Korbes der wichtigsten internationalen Währungen berechnet (Dollar, Euro, japanischer Yen, britisches Pfund). Ein SZR entspricht etwa 1.37 Schweizer Franken (Stand Dezember 2015).


Tipps

Am Tage des Abfluges nochmals E-Mail und SMS abrufen. Es könnte eine Benachrichtigung betreffend Verspätung oder Annullation versendet worden sein und es gibt doch deutlich angenehmere Orte als einen Flughafen, um auf den Abflug zu warten.
Bei Unregelmässigkeiten (Verspätung, Annullierung, Service an Bord, Gepäck nicht erhalten oder defekt, etc.) lohnt es sich in der Regel, eine Beschwerde bei der Airline zu machen und dran zu bleiben.
Führt man wertvolles Gepäck mit (z.B. ein Rennrad), wird die Haftung teilweise abgelehnt. Allenfalls eine Versicherungslösung prüfen!

Links

- Bundesamt für Zivilluftfahrt BAZL I (Passagierrechte): https://www.bazl.admin.ch/bazl/de/home/passagiere/fluggastrechte.html

- Bundesamt für Zivilluftfahrt BAZL II (Gepäck):


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